Jeder hört anders – Teilhabe und Empathie im Unterricht fördern
Der Fachartikel zeigt Lehrkräften aller Schulstufen, wie das Thema Hören im Unterricht genutzt werden kann, um Inklusion, Teilhabe und Empathie zu fördern. Mit Bezug zum Hörakustiker-Handwerk werden Unterrichtsideen vorgestellt – von Hörratespielen für die Grundschule bis zu Projekten zur Physik des Hörens in der Sekundarstufe.
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- Primarstufe, Sekundarstufe I, Sekundarstufe II

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Der Fachartikel vermittelt Lehrkräften, anhand konkreter Unterrichtsideen, wie das Thema Hören im Unterricht genutzt werden kann, um Inklusion, Teilhabe und Empathie zu fördern.
Das menschliche Gehör ist ständig im Einsatz und spielt eine zentrale Rolle für Kommunikation, Lernen und Teilhabe. Gerade Schülerinnen und Schüler sind tagtäglich zahlreichen Umweltgeräuschen und Lärm ausgesetzt, die das Gehör beanspruchen. Deshalb ist das Thema Hören in vielen schulischen Situationen präsent – sei es beim genauen Zuhören, beim Verstehen oder bei Störgeräuschen im Unterricht. Dieser Fachartikel beschäftigt sich daher mit dem Hörsinn im schulischen Kontext. Dabei werden besondere Eigenschaften des Gehörs, die Einzigartigkeit jedes Ohrs sowie wichtige Aspekte wie Hörhygiene und Inklusion betrachtet. Außerdem zeigt der Artikel auf, wie Teilhabe für hörbeeinträchtigte Schülerinnen und Schüler gefördert werden kann. Zur Vertiefung und für die Unterrichtsgestaltung eignet sich das Lernfeld des Hörakustiker-Handwerks, das praxistaugliche Anregungen bietet, um das Thema mit den Lernenden altersgerecht zu erarbeiten.
Das Ohr – Einzigartigkeit und Sensibilität

Der Hörsinn nimmt im Zusammenspiel der fünf Sinne, mit denen der Mensch seine Umwelt wahrnimmt, eine besondere Stellung ein, da er für Orientierung, Sicherheit sowie insbesondere für Interaktion, Kommunikation und Teilhabe von zentraler Bedeutung ist (planet-wissen.de).
Auch im schulischen Bereich ist das Ohr angesichts dieser Eigenschaften unverzichtbar: Die Möglichkeit optimalen (Zu-)Hörens ist die Grundvoraussetzung effektiven Unterrichtens und Lernens. Dies zeigt sich etwa beim Verstehen von Erläuterungen und Anweisungen der Lehrkraft, beim Austausch in Gruppenarbeiten oder im Fremdsprachen- und Musikunterricht, wo Hörverstehen sowie die Unterscheidung von Tönen, Rhythmen und Melodien erforderlich sind.
Hören ist folglich ein bedeutsames Thema im Schulkontext, dessen Sensibilisierung und Förderung frühzeitig beginnen sollte. Dabei ist das Bewusstsein um die Einzigartigkeit des Ohres – das "so individuell wie ein Fingerabdruck [ist]" (richtig-gut-hoeren.de: Jeder hört anders) – besonders wichtig. Zudem sind Schäden am Gehör meist irreparabel, was den Gehörsinn zu einem sehr sensiblen Sinn macht (richtig-gut-hoeren.de: Lärm).
Hören als Schlüssel zu Alltagsbewältigung und Teilhabe
Rund um die Uhr aktiv, liefern die als "Funktionseinheit" (Eitner 2022: 136) agierenden Ohren dem Gehirn lebensnotwendige Daten. Sie stoßen Orientierungs-, Alarmierungs- sowie Kommunikationsprozesse an und ermöglichen eine sozial-emotionale Wahrnehmung des Gesprochenen.
Daher führt eine Schädigung des Gehörsinns nicht nur zu einer Erschwernis der Alltagsbewältigung – etwa beim Verstehen von Gesprächen und Durchsagen oder im Straßenverkehr – sondern kann auch die soziale Einbindung gefährden (Eitner 2022: 136). Das gilt besonders dann, wenn gesellschaftliche Barrieren wie fehlende Untertitel in Medien, mangelnde Gebärdensprachdolmetschung oder schlechte Akustik in öffentlichen Räumen bestehen. Umgekehrt zeigt sich die zentrale Bedeutung des Hörsinns auch darin, dass Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung verstärkt auf ihr Gehör angewiesen sind und akustische Informationen als wichtige Orientierungshilfe bei der Fortbewegung nutzen.
Akustische Barrieren im schulischen Umfeld
Akustische Barrieren können im Rahmen schulischer Interaktion insbesondere für Kinder und Jugendliche mit verminderter Hörfähigkeit ein großes Problem darstellen, auch wenn diese mit Hörsystemen versorgt sind (b-d-h.de).So erschweren beispielsweise störende Hintergrundgeräusche durch Verkehrslärm oder offene Fenster, fehlende visuelle Unterstützung wie Abbildungen verschriftliche Aufgaben oder Transkripte, laute Gruppenarbeiten oder schlechte Raumakustik (hallende Klassenzimmer) das Hören und Verstehen von Unterricht erheblich. Hinzu kommen eine undeutliche Aussprache der Mitschülerinnen und Mitschüler sowie der Lehrkräfte. Sprechen Lehrkräfte während sie etwa an die Tafel schreiben, wird das Sprachsignal ebenfalls nicht klar vermittelt (johann-joseph-gronewald-schule.lvr.de). All das führt oft zu großer kognitiver Belastung oder Rückzug (Keimel 2024).
Um diesen Herausforderungen präventiv zu begegnen, spielt das Zwei-Sinne-Prinzip eine zentrale Rolle. Es besagt, dass Informationen möglichst über mindestens zwei der drei SinneskanäleHören, Sehen und Tasten vermittelt werden sollten, um Barrierefreiheit zu gewährleisten. Besonders für hörbeeinträchtigte Schülerinnen und Schüler bedeutet dies, dass Unterrichtsinhalte nicht ausschließlich auditiv präsentiert werden sollten. Visuelle Unterstützungen wie Tafelbilder oder grafische Strukturierungen entlasten das Hören und ermöglichen trotz akustischer Einschränkungen einen Zugang. Damit trägt das Zwei-Sinne-Prinzip wesentlich zu inklusiver Unterrichtsgestaltung bei.
Prävention und Versorgung: Die Rolle des Hörakustiker-Handwerks
Um diesen Tendenzen entgegenzuwirken, gilt es, Hörschädigungen frühzeitig zu erkennen und fachgerecht zu versorgen. Eine regelmäßige Kontrolle des Gehörs durch professionell durchgeführte Hörtests ist dabei unverzichtbar, zumal Schwerhörigkeit zu den zehn häufigsten gesundheitlichen Problemen zählt (biha.de: Faktendatenblatt; richtig-gut-hoeren.de: Schwerhörig).
In diesem Kontext gewinnt das Hörakustiker-Handwerk zunehmend an Bedeutung, da es einen direkten Beitrag zur Gesundheitsversorgung und damit zur Teilhabe leistet. Auf der Grundlage von Hörtests, audiologischen Messungen und einer umfassenden Anamnese passen Hörakustikerinnen und Hörakustiker moderne Hörsysteme bestmöglich an den jeweiligen Hörverlust an. Neben der Anfertigung individueller Ohrpassstücke – sogenannter Otoplastiken –, die für optimalen Tragekomfort und Klangqualität sorgen, beraten sie auch zu wichtigen Assistenzsystemen wie Echtzeit-Untertitel für Meetings, Gespräche oder Vorträge oder Spracherkennungssysteme die Gesprochenes in Schrifttext umwandeln u.v.m. Dazu gehören insbesondere Mikrofonanlagen, die beispielsweise die Stimme über ein Mikrofon direkt an das Hörsystem überträgt, das Hören in akustisch schwierigen Umgebungen durch Sendermikrofone erleichtert oder Tischmikrofone und weitere technische Zusatzlösungen, die in vielen Alltagssituationen – etwa im Unterricht, bei Vorträgen oder öffentlichen Veranstaltungen – den Zugang zu Sprache erheblich verbessern. Darüber hinaus klären Hörakustikerinnen und Hörakustiker über Ursachen und Folgen von Hörschädigungen auf und sensibilisieren bereits junge Menschen für den präventiven Einsatz von Gehörschutz (biha.de: Unikat fürs Ohr; richtig-gut-hoeren.de: Jeder hört anders).
Gerade aufgrund dieser Vielschichtigkeit eignet sich das Hörakustiker-Handwerk besonders gut als Lernfeld im Unterricht, in dem Schülerinnen und Schüler das Hören als zentrale Voraussetzung für Teilhabe und Alltagsbewältigung praxisnah erfahren können – ergänzt durch den Blick auf moderne Assistenzsysteme, die heute ein wesentlicher Bestandteil barrierefreier Kommunikation sind.
Grundlagen inklusiven Unterrichts
Neben der fachgerechten Versorgung durch das Hörakustiker-Handwerk braucht es auch im schulischen Alltag selbst den konsequenten Abbau akustischer Barrieren sowie den Ausbau barrierefreier Kommunikation, z. B. durch visuelle Informationen in Form von Tafelbildern, Abbildungen, Transkripten u.ä., funkbasierte Höranlagen und inklusive Unterrichtsmethoden (Keimel 2024).
Die Förderung von Inklusion, Teilhabe und Chancengleichheit in der Schule basiert unter anderem auf der gezielten Berücksichtigung individueller Hörerfahrungen (schulministerium.nrw.de). Dies erfordert die Sensibilisierung aller Beteiligten. Lehrkräfte sollten sich der vielfältigen Herausforderungen bewusst sein und durch Projektunterricht oder die bewusste Erarbeitung des Themas im Fachunterricht ein konkretes Sich-Hineinversetzen in die betroffenen Personen ermöglichen. Über eine solche Sensibilisierung und Aufklärung tragen die Mitschülerinnen und Mitschüler selbst maßgeblich zur Inklusion bei, indem sie Empathie zeigen, den Geräuschpegel, der durch Lärmampeln verdeutlicht werden kann, beachten, Kommunikationsregeln einhalten und Gespräche so gestalten, dass Hörbeeinträchtigte aktiv eingebunden werden.
Unterstützend für inklusiven Unterricht ist das bereits genannte Zwei-Sinne-Prinzip. Wo Unterricht häufig stark auditiv geprägt ist, etwa durch mündliche Erklärungen, Diskussionen oder spontane Beiträge, sorgt die zusätzliche Nutzung eines zweiten Sinneskanals für mehr Teilhabe. Werden Informationen konsequent sowohl akustisch als auch visuell zugänglich gemacht, reduziert sich der Verstehensdruck, insbesondere für Lernende mit Hörbeeinträchtigung, aber auch für Schülerinnen und Schüler mit Konzentrationsschwierigkeiten oder Deutsch als Zweitsprache.
Ebenso zentral ist die Einführung in den Umgang mit technischer Unterstützung – beispielsweise durch Mikrofone oder mobile Lautsprechersysteme. Damit diese Hilfen effektiv wirken können, sollten sie durch Routinen im Schulalltag verankert werden, z. B. durch feste Einsatzregeln je nach Bedarf.
Räumliche und didaktisch-methodische Maßnahmen für inklusiven Unterricht

Durch entsprechende räumliche und didaktisch-methodische Maßnahmen lassen sich darüber hinaus konkrete akustische Barrieren abbauen. Die Raumakustik beeinflusst maßgeblich, wie gut Sprache wahrgenommen und verstanden wird, und damit auch, ob ein Raum barrierefrei nutzbar ist. Eine durchdachte räumliche Gestaltung ist daher entscheidend für gutes Hören und gelingende Kommunikation. Mit einfachen Mitteln wie Teppichen, Vorhängen oder Wandabsorbern lässt sich die Nachhallzeit deutlich reduzieren.
Auch das gezielte Platzieren von Möbeln kann helfen, störende Schallreflexionen zu mindern. Zudem können akustische Elemente wie Deckensegel oder mobile Stellwände eingesetzt werden, um die Hörbedingungen weiter zu verbessern. Optimal als Unterrichtsräume eignen sich Räume mit guter Akustik (gemäß DIN 18041(b-d-h.de)), klarer Sicht auf Lehrkraft und Tafel sowie einer reizarmen Umgebung. Visualisierende Hilfen wie digitale Whiteboards, gut strukturierte Tafelbilder oder schriftlich formulierte Arbeitsanweisungen unterstützen das Verstehen zusätzlich. Der Einsatz von Körpersprache, das deutliche Sprechen und Halten des Blickkontakts sowie die bewusste Zuwendung zur hörgeschädigten Person sind didaktische Prinzipien, die inklusives Lernen fördern.
Auch organisatorische Faktoren wie eine adäquate Gruppengröße, ein fester Klassenraum und der richtige Sitzplatz (mit Blick auf die Lehrkraft) verbessern die Lernbedingungen für Hörbeeinträchtigte (schulministerium.nrw.de).
Ferner kann der Einsatz lärmdämpfender Hilfsmittel (wie Lärmschutzkopfhörer oder individuell angepasster Gehörschutz) zur Reduzierung von Geräuschen und Nachhallzeit dienlich sein. Zum anderen filtern sie die Umgebungslautstärke gleichmäßig, sodass beispielsweise Musik nicht dumpf klingt, sondern einfach nur leiser wird.
Praxisnahe Unterrichtsideen für Grund- und Förderschule: Hörratespiele
Für einen praxisorientierten Zugang zum Thema Inklusion bieten sich Hörratespiele und -übungen an. Diese eignen sich besonders für den Einsatz im Grundschulunterricht, gegebenenfalls auch in den unteren Klassen der Sekundarstufe I, in inklusiven Lerngruppen oder im Förderschulbereich – etwa im Musikunterricht, in Vertretungsstunden oder als Einstieg in das Thema "Sinne".
Ziel der Übungen ist es, die Aufmerksamkeit auf die auditive Umwelt zu lenken und damit die Dimension einer Höreinschränkung zu erfassen. Die Lernenden sollen genau hinhören und mutmaßlich Alltagsgeräusche zuordnen. Indem sie auf visuelle Reize verzichten, erleben sie, wie sehr das Verstehen vom Hören abhängt. So entsteht ein Bewusstsein für die Herausforderungen hörbeeinträchtigter Menschen im (schulischen) Alltag, was Rücksichtnahme und Verständnis fördert.
Bei dem Klassiker "Geräusche erkennen" werden einem Kind mit verbundenen Augen Geräusche vorgespielt, die es erraten muss. Hierzu könnten Triangeln, Schellen, Trommeln oder Flöten, verschiedenartige Glocken oder Smartphones verwendet werden; zudem ist es möglich, Gegenstände auf Tisch oder Boden fallen zu lassen (etwa Stifte, eine Nadel, Stöckchen oder kleine und große Bälle); zur Steigerung des Schwierigkeitsgrads können Gegenstände in einem Kästchen „erschüttelt“ werden (ein Stift oder Radiergummi, Stoffe, Sand etc.).
Das Experiment "Mit den Ohren sehen" verfolgt ein ähnliches Ziel: Eine Person mit verbundenen Augen wird von den Mitschülerinnen und Mitschülern mittels akustischer Reize (verbal oder durch sonstige Geräusche, verursacht mit oder ohne Hilfsmittel) an ein bestimmtes Ziel "gelotst" (auditorix.de: Blindenparcours).
Die Übung "Geometrische Formen hören" kann in Zweiergruppen am Schultisch mit Filz- oder Bleistift oder an einer Tafel mit Kreide in einer größeren Gruppe durchgeführt werden. Eine Person zeichnet langsam eine geometrische Grundfigur (Kreis, Dreieck, Viereck), Striche oder Wellen, eine andere Person mit geschlossenen Augen (oder der Rest der Klasse, sofern die Tafel verwendet wird) sollte anhand des spezifischen Kratzgeräusches des Stifts bzw. der Kreide die Form erraten (auditorix.de: Blindenparcours).
Des Weiteren kann "Stille Post" gespielt werden: Eine Person denkt sich einen Satz aus und flüstert diesen ihrer Nachbarin oder ihrem Nachbarn ins Ohr. Die zweite Person gibt das Gehörte wiederum an die nächste Person weiter – ebenfalls flüsternd. Das Spiel endet, indem die letzte Person den Satz laut ausspricht. Meist hat sich der ursprüngliche Satz durch undeutliches Hören (stark) verändert. Durch Einschränkungen könnte das Spiel erschwert werden, z. B. durch eine unterschiedlich intensive Geräuschkulisse im Hintergrund.
Um über den rein spielerischen Aspekt hinauszugehen, sollten diese Aktivitäten in ein didaktisch durchdachtes Projekt eingebettet sein. Entscheidend ist, dass die Lernenden im Anschluss ihre Eindrücke reflektieren: Was haben die Schülerinnen und Schüler erlebt und gelernt? Welche Erkenntnisse nehmen sie für ihren Schulalltag mit? Was fiel ihnen leicht oder schwer? Wie hat sich das Hören ohne Sehen angefühlt? Und was bedeutet das für Menschen, die dauerhaft mit Hörbeeinträchtigungen leben?
Projektideen für Sekundarstufe I und II: "Physik des Hörens" und Hörakustik
Zur Vertiefung des Themas Gehörsinn und Höreinschränkungen für Schülerinnen und Schüler etwa ab der 8. Klasse eignet sich die Bezugnahme auf die "Physik des Hörens" (richtig-gut-hoeren.de: Physik des Hörens). Thematisiert werden können beispielsweise das Hören unter außergewöhnlichen Bedingungen, wie das Hören der eigenen Stimme und bei Krankheit "unter Wasser" oder "in der Höhe" (richtig-gut-hoeren.de: Eigene Stimme). Zudem könnte ein Akustik-Check im Klassenzimmer vorgenommen werden, möglicherweise mit Bezugnahme auf DIN 18041 (s. hierzu dguv.de: IFA – Lärm). Diese Ideen zielen darauf ab, das Hörverhalten unter verschiedenen physikalischen Bedingungen erlebbar zu machen und gleichzeitig ein Verständnis für akustische Herausforderungen im Alltag zu fördern. Ideal lassen sie sich im naturwissenschaftlichen Unterricht (z. B. Physik oder Biologie) oder in einer Projektwoche mit fächerübergreifendem Ansatz umsetzen.

In diesem Kontext bietet sich auch die Thematisierung des Hörakustiker-Handwerks an – etwa anhand der "Sprach-" bzw. "Hörbanane" (richtig-gut-hoeren.de: Sprachbanane), mit der Hörakustikerinnen und Hörakustiker den jeweiligen Grad des Hörverlustes bei Schwerhörigkeit bestimmen. Die "Sprachbanane" visualisiert Sprache in einem Diagramm, indem die Sprache hinsichtlich Lautstärke und Frequenz dargestellt wird. Das Diagramm zeigt, welche Laute ein Mensch mit gesundem Hörvermögen noch hören kann, und bei welchen Frequenzen erste Hörverluste zu Verständnisproblemen führen - etwa bei leisen Zischlauten wie "s" oder "f". Im Unterricht kann ein Audiogramm mit dem Bereich der Sprachbanane gezeigt werden, sodass Schülerinnen und Schüler nachvollziehen können, wie Hörverlust konkret wirkt und wie eingeschränktes Hören zu Missverständnissen und Misskommunikation führen kann: Von dem Wort "Eis" werden beispielsweise lediglich zwei Buchstaben gehört: "Ei" (richtig-gut-hoeren.de: Sprachbanane).
Ein Projekttag zum Thema Hören bietet die Möglichkeit, Hörakustikerinnen und Hörakustiker in die Schule einzuladen und den Schülerinnen und Schülern einen praxisnahen Einblick in die Bedeutung guten Hörens zu geben. Die Fachkräfte können vor Ort einfache Hörtests durchführen und die Ergebnisse gemeinsam mit den Lernenden auswerten, sodass diese ihr eigenes Hörvermögen besser einschätzen lernen. Dabei erklären sie auch, wie Hörtests funktionieren und welche Rückschlüsse sich aus audiologischen Messungen ziehen lassen. Ergänzend können verschiedene Hörsysteme, Otoplastiken oder Assistenztechniken vorgestellt und ausprobiert werden. Durch diesen direkten Kontakt erleben die Schülerinnen und Schüler die Relevanz von Hörgesundheit und Prävention besonders anschaulich.
In diesem Kontext lässt sich den Schülerinnen und Schülern auch die Bedeutung von Akustik, Lärm und Hörhygiene verdeutlichen. Beispielsweise bilden zunehmender Verkehr sowie (zu lauter) Musik- und generell Medienkonsum Stressfaktoren für das Gehör (fgh-info.de). Extrem gefährlich ist plötzlich und in nächster Nähe auftretender Lärm, der die Ohren mit großem Druck trifft – verursacht etwa durch eine Spielzeugpistole oder ein Feuerwerk. Gleiches gilt für hochfrequente Schreie, Trillerpfeifenpfiffe oder einen Schlag auf das Ohr (auditorix.de: Blindenparcours). Der Verweis auf Hörhygiene und den Schutz des Gehörs ist daher essenziell (handwerk-macht-schule.de: Lärmverschmutzung).
Die genannten Vorschläge eignen sich vorrangig für die Sekundarstufe I ab Klasse 8/9 sowie für die Sekundarstufe II. Dabei empfiehlt es sich, ab Klasse 8 über alltagsnahe Fragestellungen einzusteigen (z. B. "Warum klingt meine Stimme auf einer Aufnahme anders?"), um Neugier zu wecken. Ab Klasse 10 können dann vertiefende Untersuchungen mit physikalischen Modellen, Raumakustikmessungen und Bezügen zu Inklusion systematisch erarbeitet werden.
Interviews mit Hörakustikerinnen und Hörakustikern können verdeutlichen, wie akustische Barrieren den Alltag von Menschen mit Hörbeeinträchtigung prägen und durch welche Maßnahmen – von räumlicher Gestaltung bis zu präventivem Gehörschutz – Teilhabe gefördert und Hörgesundheit gesichert werden kann.
Solche Interviews ließen sich in der Sekundarstufe I durchführen, denn das Thema Hören ist lebensnah – viele Schülerinnen und Schüler haben Bezug zu Kopfhörern, Lärm, Klassenakustik oder Verwandten mit Hörhilfen. Geeignete Settings könnten der Biologie-, Physik- oder Ethikunterricht sein (z. B. im Kontext von Sinnesorganen, Schall, Gesundheit oder Sozialverhalten) oder Projekte bzw. Projektwochen zum Thema "Hören", "Inklusion" oder "Gesundheit". Die Interviewfragen sollten vorbereitet und ggf. im Unterricht gemeinsam entwickelt werden, und ein kurzes Briefing zum Beruf des Hörakustikers wäre hilfreich. Die Auswertung sollte begleitet erfolgen und sich etwa in einer Präsentation, einem Plakat, einem kurzen Bericht oder einem Podcast niederschlagen.
Fazit
Ebenso wie jedes Ohr einzigartig ist, ist der menschliche Hörsinn angesichts seiner Wichtigkeit für Orientierung und Sicherheit, insbesondere aber für soziale Interaktion und Teilhabe unersetzlich. Hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler erleben im Schulalltag jedoch massive Einschränkungen durch diverse akustische Barrieren wie Hintergrundgeräusche, undeutliche Aussprache der Mitmenschen oder schlechte Raumakustik. Der Abbau von Barrieren durch eine aktive Verankerung des Themas Hören im Schulunterricht ist daher ein wichtiger Beitrag zu echter Inklusion.
Schon ein einfaches Motto wie "Hören ist mehr als nur Ohren auf!" kann helfen, Schülerinnen und Schüler für das Thema zu sensibilisieren. Lehrkräfte können etwa bei Grundschulkindern erste Impulse durch niedrigschwellige Hörspiele setzen. Für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I und II sind eine thematische Projektwoche oder fächerübergreifende Unterrichtseinheiten denkbar, beispielsweise zu außergewöhnlichen Hörsituationen oder zur Hörakustik und dem Hörakustiker-Handwerk. Je konkreter die Situation Hörbeeinträchtigter im Schulunterricht erlebbar wird, desto besser kann inklusives Lehren und Lernen gelingen!
Verwendete & weiterführende Literatur
Becker, Claudia (2012): "Inklusion für alle? Qualitätsstandards für die Bildung hörgeschädigter Menschen". In: Hörgeschädigtenpädagogik 3. 102–110.
Eberle, Wolfgang (2013). "Lärmminderung in Schulen". Umwelt und Geologie. Lärmschutz in Hessen 4. 2., korrig. Aufl. Wiesbaden: Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie.
Eitner, Johannes (2022). Zur Psychologie und Soziologie von Menschen mit Hörschädigung. 4., überarb. und erw. Aufl. Heidelberg: Median.
Keimel, Markus (2024): "Gehörlose Kinder werden in unsere Gesellschaft benachteiligt – mit dramatischen Folgen". In: Berliner Zeitung. Online: https://www.berliner-zeitung.de/open-source/gehoerlose-kinder-werden-in-unserer-gesellschaft-benachteiligt-mit-dramatischen-folgen-li.2283689?utm_source=chatgpt.com (abgerufen am 10.10.2025)
Klatte, Maria, Markus Meis, Christian Nocke und August Schick (2002). "Akustik in Schulen: Könnt ihr denn nicht zuhören?!" In: EINBLICKE
35. 4–8. Online: uol.de/fileadmin/presse/EINBLICKE/35/klatte.pdf (abgerufen am: 24.08.2025).
Leonhardt, Annette (Hrsg.) (2018). Inklusion im Förderschwerpunkt Hören. Stuttgart: Kohlhammer.
Richtberg, Werner (1999). "Vom Zuhören zur Begegnung". In: Hörgeschädigtenpädagogik 53. 188-193.
Link-Tipps
- arbeitsagentur.de: Hörakustiker/in
Auf dieser Seite informiert die Arbeitsagentur über das Berufsbild der Hörakustiker/in.
- baunetzwissen.de: Raumakustik
Hier erfahren Sie, wie Nachhallzeit, Schallabsorption und das diffuse Schallfeld die akustische Qualität von Räumen beeinflussen.
- baunormlexikon.de: DIN 18041
Hier finden Sie die DIN 18041 zum Nachlesen.
- cvossietzky.de: Projekt CvO - Schule mit Schwerpunkt Hören
Diese Seite informiert über das Inklusionsprojekt mit Schwerpunkt "Hören" an der Carl-von-Ossietzky-Schule im Rahmen der Modellregion Wiesbaden.
- dguv.de: Gute Raumakustik.
Diese Seite zeigt, wie eine optimale Raumakustik in Kitas, Schulen und Hochschulen das Lernen und Lehren verbessert.
- handwerk.de: Berufsprofil Hörakustiker/in
Hier finden Sie Informationen rund um den Ausbildungsberuf "Hörakustiker/in".
- hoerakustik.net: Fachzeitschrift Hörakustik
Die Fachzeitschrift "Hörakustik" informiert über aktuelle Entwicklungen, Branchennews und Forschungsergebnisse rund um die Hörakustik.
- dguv.de: Klasse(n) – Räume für Schulen.
Diese DGUV-Publikation bietet umfangreiche Empfehlungen zur gesundheits- und lernfördernden Gestaltung von Klassenzimmern.
- schulministerium.nrw: Raumakustik in Unterrichtsräumen
Dieser Artikel erläutert, wie eine gute Raumakustik in Unterrichtsräumen durch einfache Maßnahmen wie Akustikdecken erreicht werden kann.
Verwendete Internetadressen
- auditorix: Blindenparcours
Diese Lerneinheit vermittelt Grundschulkindern spielerisch den Aufbau und die Funktion des menschlichen Ohres – mit Arbeitsblättern, Online-Spielen und didaktischen Anregungen.
- auditorix: Was das Ohr kann
Diese Lerneinheit lässt Grundschulkinder spielerisch entdecken, was das Ohr alles kann – vom differenzierten Hören bis zur Orientierung ohne Sehen.
- baunetzwissen.de: Unterrichtsäume
Diese Seite erläutert, wie in Unterrichtsräumen durch optimale Nachhallzeiten und geeignete Schallabsorber eine gute Sprachverständlichkeit erreicht wird.
- b-d-h.de: Schulische Inklusion für Kinder und Jugendliche mit dem Förderbedarf Hören und Kommunikation
Das Positionspapier des Berufsverbands Deutscher Hörgeschädigtenpädagogen formuliert Qualitätsstandards für die schulische Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Hörschädigung.
- biha.de: Unikat fürs Ohr
Diese Seite informiert darüber, wie angehende Hörakustiker an der Akademie für Hörakustik mit CAD und 3D-Druck individuelle Ohrpassstücke fertigen lernen.
- dguv.de: IFA - Lärm
HIer finden Sie ein Praxistool zur raumakustischen Gestaltung nach DIN 18041:2016 für lärmgeminderte Arbeitsplätze.
- fgh-info.de: Tägliche Schall- und Lärmbelastung
Dieser Artikel informiert über Risiken, die aus täglicher Schall- und Lärmbelastung hervorgehen.
- hms.de: Lärmverschmutzung
Der Fachartikel informiert über Auswirkungen und Prävention von Lärmverschmutzung im Alltag.
- johann-joseph-gronewald-schule-lvr: Anmerkung zu Akustik in Schule
Dieser Artikel der LVR-Johann-Joseph-Gronewald-Schule erläutert unter anderem, warum eine gute Raumakustik mit kurzen Nachhallzeiten für die Beschulung hörgeschädigter Kinder entscheidend ist.
- neurodivers.de: Unsichtbare Barrieren
Diese Handreichung erklärt, welche unsichtbaren Barrieren – etwa Lärm, grelles Licht oder Hektik – autistischen Menschen die gesellschaftliche Teilhabe erschweren und wie man sie abbauen kann.
- planet-wissen.de: Sinne - Hören
Diese Seite erklärt anschaulich, wie das menschliche Ohr funktioniert – vom Aufbau über den Hörvorgang bis zur emotionalen Wirkung von Klängen.
- richtig-gut-hören.de: Eigene Stimme
Dieser Artikel erklärt, warum die eigene Stimme auf Aufnahmen oft fremd klingt und welche Rolle die Knochenleitung beim Hören der eigenen Stimme spielt.
- richtig-gut-hören.de: Jeder hört Anders
Hier erfahren Sie, warum jeder Mensch anders hört und wie Hörakustiker mit individuellen Tests und modernen Hörsystemen bei Hörminderungen helfen können.
- richtig-gut-hören.de: Lärm
Diese Seite informiert darüber, wie Lärm das Gehör schädigt und wie man seine Ohren schützen kann.
- richtig-gut-hören.de: Physik des Hörens
Dieser Artikel erklärt die physikalischen Grundlagen des Hörens und wie der Gehörsinn in außergewöhnlichen Situationen funktioniert.
- richtig-gut-hören: Sprachbanane
Dieser Artikel erklärt anhand der "Sprachbanane", warum bei Schwerhörigkeit lauter sprechen allein nicht hilft – und wie Hörakustiker individuelle Hörverluste ausgleichen.
- schulministerium-nrw.de: Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation
Hier erfahren Sie, wie Schülerinnen und Schüler mit Hörbehinderungen im Unterricht gefördert werden können.
- sichereschule.de: Lernraumakustik
Hier erfahren Sie, wie Sie durch raumakustische Maßnahmen die Sprachverständlichkeit in Klassenzimmern verbessern und Lärmbelastungen für Schüler und Lehrkräfte reduzieren können.




